Sonntag, 30. Dezember 2018

Jahresrückblick 2018

Mein persönlicher Jahresrückblick auf 2018


Das Jahr 2018 war für mich ein ebenso aufregendes wie anstrengendes Kalenderjahr mit vielen Veränderungen und auch Rückschlägen. Ich möchte ein paar Blicke zurück auf die vergangenen zwölf Monate werfen und gerne mit Euch teilen.

Januar bis März:
> Mia, Studium und eine einschneidende Trennung


Eine große private Änderung Anfang des Jahres betraf mich eher indirekt: Meine Kätzin Mia, inzwischen 16 Jahre alt, hatten den Tod ihres Bruders sehr schwer genommen. In den ersten Monaten 2018 hatte sie jedoch ihre tiefe Traurigkeit hinter sich lassen können und wieder unbeschwerter durchs Leben tigern können. Großen Anteil hatte da sicherlich auch irgendwie die junge Tiffy, ein Katzenteenager, der im Jahr davor zu uns gekommen war und unser Leben mitunter durchaus gut durcheinanderwirbelte.

Nach einem sehr inspirierendem Dezember-Workshop in Marseille war das erste Quartal 2018 von intensivem Studium geprägt, das natürlich das ganze Jahr hindurch ein wichtiger Faktor "im Hintergrund" war, im den ersten Monaten aber durchaus stark von grundlegenden Themen geprägt war.

Im März 2018 kam es zum Bruch mit der Ibn Rushd-Goethe Moschee. Ich wurde als Gemeindekoordinator entlassen und verließ die Gemeinde. Der Verlust von wichtigen Bezugspersonen und auch Freund*innen sowie diverse grundlegenden Details der Trennung waren durchaus ein heftiger Schlag für mich und hallten über einige Monate in mir nach. Die nachfolgende Zeit war für mich wie auch für einige andere Leute um mich herum nicht einfach.

April bis Juni:
> Besinnung, Schmerz und neue Verbindungen


Das zweite Quartal war für mich stark von der Verarbeitung des Bruches im März geprägt. Da war viel Schmerz und Verletzung, in gewissem Sinne auch eine Art Entwurzelung in mir. Ich bemühte mich, auf mein grundlegendes Verhältnis mit Allah zu besinnen und fand mich bestätigt in meiner persönlichen Beziehung zu Gott, wofür ich sehr dankbar war und bin.

In dieser Zeit begann ich aber auch, "über den Tellerrand hinaus" neue Kontakte zu knüpfen. Ich nahm Kontakt zu verschiedenen Imamen in Berlin auf, führte spannende und zugewandte Gespräche, tauschte mich mit vielen Leuten auf eine sehr angenehme Weise aus. So schmerzhaft die Trennung mit der Moschee war, so eröffnete sie mir doch neue Möglichkeiten und Freiheiten.

Juli bis September:
> CSD-Gottesdienst, Imam-Status und Lehrtätigkeit


Im Juli nahm ich am interreligiösen Gottesdienst am Tag vor dem CSD / Pride Parade teil: Ich rezitierte aus dem Qur'an und trug gemeinsam mit christlichen und jüdischen Vertreter*innen die "Licht-Fürbitten" vor. Diese Veranstaltung war sicherlich einer der wichtigsten und berührendsten Ereignisse des Jahres für mich.

Im August fand - unter meiner Koordination - ein Workshopwochenende in Marseille statt. Während der Tage in Frankreich wurde der Gruppe und mir klar, dass ich de facto bereits die grundlegenden Aufgaben eines Imams übernommen hatte. Ich akzeptierte die "Fremdetikettierung" und nahm den Imam-Titel an. Dabei war mir die Außenwirkung dessen natürlich auch bewusst und ich beschäftige mich selbstverständlich beständig mit der Wahrnehmung durch die Menschen.

Im September begann ich, andere Muslim*innen durch Lehrtätigkeit in ihrer Entwicklung zu unterstützen - eine Aufgabe, die ich als wichtigen Teil meines Wirkens als Imam betrachte und der ich fortan kontinuierlich nachkommen würde.

Oktober bis Dezember:
> Rugby, Umbau, KALIMA und Bedrohung


Ich bin dankbar, dass ich im dritten Quartal des Jahres ein neues Berliner Rugbyteam finden durfte, das ich fortan als Coach mit unterstützen kann. Als Trainer für die zweite Mannschaft und als Support-Coach lernte ich dufte Leute kennen und finde ich natürlich auch einen gewissen sportlichen Ausgleich.

Seit November baue ich in meiner Wohnung um. So banal das klingt, für mich ist das eine wichtige Sache: Meine Wohnung ist ein wichtiger Anker für mich und meine Katzen, die Umbauaktivitäten bedeuten daher für mich und uns sehr viel. Immerhin: Zuhause studiere ich den Islam, zuhause trinke ich mit Freund*innen Tee und habe Spieleabende, zuhause kann ich mich von den Aufregungen des Tages erholen und Kraft tanken.

Die Gründung von KALIMA - einem Verein zur Unterstützung und Vertretung von diskriminierten Personen innerhalb der muslimsichen Community, speziell LGBTIQ*-Muslim*innen - am 10. Dezember 2018 war im Sicherheit einer wichtigen Momente des Jahres für mich. Zusammen mit einigen anderen Leuten gründeten wir etwas, was es bislang in Deutschland nicht gegeben hatte ... und das in der Zukunft viel bewegen soll.

Während ich mich in den folgenden Wochen vor allem um die organisatorischen Auswirkungen der KALIMA-Gründung und natürlich um Presseanfragen kümmerte, motivierte vermutlich die zusätzliche Aufmerksamkeit eine Person, mir eine Gewaltdrohung zu senden. Ich erwähne dies deshalb so explizit, weil es ist die erste Gewaltandrohung gegen meine Person bisher. Seit eineinhalb Jahren bin ich öffentlich mit meinem Schwul-und-Muslim-Sein, aber erst jetzt gab es die erste Drohung. Natürlich reagierte ich konsequent: Das LKA ist eingeschaltet, der Staatsschutz ermittelt und man* muss sich um meine Sicherheit keine Sorgen machen. Trotzdem prägte dieser bedauerliche Akt der Aggression meine letzten Tage in 2018.

Ausblick auf 2019


Ganz kurz will ich "ins neue Jahr" gucken und kann bereits einige Ankündigungen für 2019 machen.

Für KALIMA werde ich in der 2. Kalenderwoche des neuen Jahres einen Online-Islamkunde-Kurs wöchentlich via Skype anbieten, der vor allem religiöse Grundlagen vermitteln wird. - Ich werde eine Reihe von Positionspapieren veröffentlichen zu verschiedenen Themen und Aspekten der Religion. - In meiner Jahresplanung sind eine Menge Veranstaltungen und diverse Vorträge bereits jetzt enthalten. - Ich hoffe, in der ersten Hälfte des Jahres mein erstes Buch mit islamischer Thematik fertigstellen zu können. - Wenn ganz viel klappt, werde ich in 2019 beginnen können, online Gebete (und auch Freitagsgebete) anbieten zu können. - Und auch weiterhin werden Seelsorge und Beratung, speziell in Bezug auf Fragen zum Thema "LGBTIQ* im Islam" mit im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen.

An dieser Stelle bleibt mir nur noch eines für diese Jahr: Allen Menschen einen "guten Rutsch" in da Jahr 2019 zu wünschen und ich für ein turbulentes, aber insgesamt enorm erfolgreiches Jahr 2018 zu bedanken. Ohne Euch da draußen könnte ich all das, was ich mache, nicht tun. Meinen ehrlichen Dank hierfür und ich bitte um Gottes Segen für Euch.



[Bildnachweis: https://pixabay.com/de/jahreswechsel-2019-2018-neujahr-3543063/ ]

Dienstag, 11. Dezember 2018

KALIMA gegründet

Ein Verein für die Vertretung und Inklusion von marginalisierten, diskriminierten und schlechter gestellten Minderheiten und Gruppen innerhalb der muslimischen Community Deutschlands.


- - - Pressemitteilung - - -

Unter Initiative von Imam Christian Awhan Hermann wurde heute, am Montag, 10. Dezember 2018, in Berlin der Verein „KALIMA“ gegründet. Er ist in seiner Ausrichtung und Zielsetzungen eine NGO (Nicht-Regierungs-Organisation), die sich für die Vertretung und Inklusion von marginalisierten, diskriminierten und schlechter gestellten Minderheiten und Gruppen innerhalb der muslimischen Community Deutschlands einsetzt. Vom Verein getragen werden soll eine muslimische Moscheegemeinde, die in Berlin auch Räumlichkeiten unterhält.

KALIMA wird eine Anlaufstelle sein für zeitgemäß lebende, inklusiv denkende Muslim*innen im Allgemeinen und für LGBTIQ*-Muslim*innen im Speziellen zwecks Beratung, Unterstützung, Seelsorge und religiöser Praxis. Dabei vertritt KALIMA eine islamische Religionsausübung in Deutschland, die konform geht mit dem deutschen Grundgesetz, der deutschen Rechtsprechung, internationalem Völker- und UN-Recht, den internationalen Menschenrechten, der Genfer Flüchtlingskonvention usw.

Der Verein will perspektivisch deutsche, inklusiv ausgerichtete Imam*innen aus- und weiterbilden, Jugend- und Erwachsenenbildung anbieten (speziell zu Themen wie „Frauen im Islam“ (Stichwort: feministische Auslegungen) und „LGBTIQ* im Islam“) und sowohl inner- wie auch interreligiöse Begegnungen fördern.

Ein wichtiger Aspekt der Vereinsarbeit wird die konsequente Nutzung moderner Technologie sein, um die bundesweite Teilhabe von Muslim*innen und Anders- bzw. Nichtgläubigen an den KALIMA-Aktivitäten zu gewährleisten. So sollen nicht nur in Berlin, sondern auch online Gruppen- und Beratungsangebote durch den Einsatz von Online-Konferenz-Software entstehen.

Imam Christian Awhan Hermann wurde von den Gründungsmitgliedern zum Vorstandsvorsitzenden gewählt. Er sagt zur Vereinsgründung:
»Die Zeit ist reif für eine deutsche Organisation, in der benachteiligte Muslim*innen in gemeinschaftlicher Selbstvertretung ihre Position innerhalb der muslimischen Community gestalten können. Aus meiner Sicht schließt die Botschaft Gottes keinen Menschen aufgrund seiner geschlechtlichen oder sexuellen Identität aus. Die Religionsausübung des Islam in seiner eigentlichen – nämlich spirituellen, friedlichen und humanistischen Form – ist zu wichtig, um irgendjemanden zurückzulassen. Deshalb ist KALIMA eine Chance, Vorurteile nach innen wie nach außen hin abzubauen und eine Versöhnung bzw. Heilung anzustoßen angesichts der Auswirkungen von radikalem Religionsmissbrauchs.

In sehr vielen anderen Ländern (auch, aber nicht nur in westlichen Staaten) existieren bereits umfangreiche LGBTIQ*-muslimische Netzwerke, mit denen sich KALIMA verbinden und kooperieren wird. Die Diskriminierung von LGBTIQ*-Muslim*innen und von Frauen innerhalb des Islams erzeugt weltweit enormes Leid und führt oft auch zu Gewalt und Tod. Mit KALIMA wollen wir innerhalb der muslimischen Gemeinschaft aus einer religiösen Position der bedingungslosen Zugewandtheit und des gegenseitigen Mitgefühls heraus zu einer Reduzierung dieser Dinge beitragen.

Basierend auf unserem Verständnis werden wir uns daher nicht respektlos, provozierend oder pauschal kritisierend gegen unsere muslimischen Schwestern und Brüder wenden. Wir werden nicht gegen unsere eigene Religionsgemeinschaft arbeiten, indem wir etwa versuchen, belehrend auf andere einzuwirken, oder gar eine Polarität „guter Muslim / schlechter Muslim“ vertreten.

Vielmehr wollen wir im Gegenteil im Dialog und in der religiösen Verbundenheit gemeinsam mit unseren Glaubensgeschwistern handeln. Nur in der Zusammenarbeit werden wir Lösungen finden und Inklusion („Einbindung“) herstellen können.

Wir sind der Überzeugung, dass der Schlüssel zu positiver Weiterentwicklung nicht in Streit und Abgrenzung liegt. Wenn wir die Diskriminierung, Marginalisierung, Abwertung und Ausgrenzung von Menschen in der muslimischen Gemeinschaft reduzieren oder gar auflösen wollen, dann muss es unser Ziel sein, einander zugewandt gewaltfrei zu kommunizieren und mehr Verbindungen aufzuzeigen oder zu schaffen. Gottes Botschaft durch den Koran und das Vorbild unseres Propheten Mohammed (Friede sei auf ihm) sind hierfür selbstverständliche und unverzichtbare Unterstützung in unserem Vorhaben.«
Der Verein nimmt ab sofort Mitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet auf.

Die Gründungsversammlung hat einen Jahresbeitrag von 60 Euro festgelegt.

Ein Aufnahmeantrag kann hier angefordert werden:

Facebook-Seite von KALIMA:
https://www.facebook.com/Kalima.Deutschland

Facebook-Seite von Christian Awhan Hermann:
https://www.facebook.com/Awhan.Berlin

E-Mail-Adresse von Christian Awhan Hermann:
awhan.berlin@yahoo.com



[Bildnachweis: (c) Christian Awhan Hermann / Selfie ]