Mittwoch, 13. Februar 2019

Anfeindungen

Wer mobbt eigentlich wen im "Themenfeld Islam" ???


Seit über eineinhalb Jahren stehe ich als schwuler Muslim in der Öffentlichkeit, seit August 2018 auch als Imam. In dieser Zeit habe ich eine Menge Anfeindungen erleben dürfen, fast täglich beobachte ich und erfahre ich von Mobbing, Hetze und auch Straftatbeständen - sowohl gegen mich als auch gegen andere Muslim*innen. Gemeinsam mit einem guten Dutzend Mitstreiter*innen trage ich daher den Verein KALIMA mit, der sich gegen die Diskriminierung und Marginalisierung von Muslim*innen (speziell LGBTIQ*-Personen und Frauen) einsetzt. Aber kommen diese auch immer von innerhalb der muslimischen Community? In meinem heutigen Blogbeitrag möchte ich ein paar Einblicke geben, was ich speziell in den letzten Monaten beobachtete.

Homophobe und trans*phobe Ausgrenzung


Fürwahr, es ist so: Lesbische, schwule, bi- und trans*- und intersexuelle Personen sowie queere Menschen werden innerhalb der muslimischen Community diskriminiert, ausgegrenzt, angefeindet und marginalisiert. Dabei sind Kennzeichen dieses Mobbings zum Einen das Unsichtbar-Machen von LGBTIQ*-Muslim*innen (gängige Aussagen sind: "Die gibt es im Islam nicht" oder "Darüber reden wir nicht, schon darüber Sprechen ist haram"), zum Anderen die offene Etikettierung queerer Gottergebener ("Du bist kein*e Muslim*in" oder "Du kannst nicht beides sein" oder "Du gehörst nicht zu uns" oder "Du bist ein*e Sünder*in"). Hinzukommen psychischer Druck (gerade aus der eigenen Familie, teilweise in Zwangsverheiratung und/oder Depression mündend) und soziale Ächtung (in Moscheen, Peer-Groups/Freundeskreis, Facebook/Soziale Medien, Familien).

Und ja, ich werde nicht nur mit Samthandschuhen angefasst von anderen Muslim*innen - speziell in den sozialen Medien weht mir mitunter ziemlicher Gegenwind um die Nase. Interessant aber ist, dass ich seit ich öffentlich bin mit meiner Identität als schwuler Muslim, ich im Verhältnis ziemlich wenig von muslimischer Seite gezielt attackiert werde ... die meisten Ausgrenzungen erlebe ich als Spontanreaktionen auf Postings oder Kommentare von mir. Eine geplante und systematische Anfeindung von Muslim*innen erlebe ich nicht wirklich umfangreich.

Nicht-Muslimische Ausgrenzung


Ganz anders ist dies aber von Seiten stark atheistischer oder orthodox christlicher oder extrem rechtsnationaler Leute: Die Anzahl der Beledigungen, Beschimpfungen, persönlichen verbalen Attacken und rassistischen Kommentare mir gegenüber ist deutlich höher als aus "dem Islam". Gängige Argumentketten sind "Wie kann man* denn als Homosexueller sich dem eigenen Schlächter ausliefern" (wie der schwule AfD-ler David Berger in seinem Blog titelte) oder primär massiv islamfeindliche PSeudo-Begründungen, warum sich ein Wutbürger in meine Richtung muslimfeindlich äußern muss.

Ich schätze den Anteil des innermuslimischen Mobbings mir gegenüber nur auf ca. 10, maximal auf 15% - alles andere (gerade auf Facebook) sind vor allem Radikalatheisten und Nazis. Die tummeln sich auch üppig genau dort, wo ich versuche, für Vermittlung und Aufklärung zu sorgen im virtuellen Raum ... diese Leute wissen genau, wo sie sich Opfer für ihre Hetze und Propaganda suchen können.

Mehr als nur Homophobie und Trans*phobie


Viele andere Muslim*innen (egal welcher geschlechtlichen oder sexuellen Identität) bestätigen meine Erlebnisse: Die Masse an Anfeindung Muslim*innen gegenüber findet nicht innerhalb der muslimischen Community statt, sondern von außen. Es wird gemobbt, beschimpft, geschlagen, gespuckt, herabgewürdigt und ausgegrenzt.

Damit sitzen alle Muslim*innen im gleichen Mobbingboot, wir alle sind Zielscheibe islam- und muslimfeindlicher Anfeindung, von Rassismus und Religionsfeindlichkeit. Genau das macht uns eigentlich total gleich, sollte uns verbinden und klar machen, dass es sinnlos ist, innerhalb der eigenen Religion, innerhalb der islamischen Gemeinschaft sich gegenseitig und speziell ausgesuchten Gruppen (LGBTIQ*-Personen und Frauen) zusätzlich das Leben noch schwerer zu machen.

Verbindungen schaffen, Geduld aufbringen


Deshalb ist mein Vorgehen nicht auf Konfrontation ausgelegt. Es gibt keinen Grund, meinen muslimischen Geschwistern übermässig Vorwürfe für ihr innerislamisches Diskriminierungsverhalten und ihre Ausgrenzung von bestimmte muslimischen Personengruppen zu machen. Gerade als Imam, als (eines unter vielen) Vorbild(ern) für die Muslim*innen, sehe ich es als falsch an, Diskriminierung (Ausgrenzung) mit Gegendiskriminierung (Blame & Shame) zu vergelten.

Ich empfinde es als hilfreicher, geduldig einfach erst einmal Ansprechpartner für alle Themen der Religion und zusätzliche bestimmte Themen, die oft nicht behandelt werden, zu sein. Welchen Sinn sollte es haben, wenn ich in einer ohnehin schwierigen Situation noch mehr Druck aufbaue?

Ich bin sicher, dass wir Schritt für Schritt uns intern besser verbinden können, um dann auch nach außen hin uns besser gegen rassistische, religionsfeindliche, volksverhetzerische und islamfeindliche Angriffe wehren zu können. Möge Allah uns hierbei unterstützen und unsere Geduld miteinander stärken.



[Bildnachweis: https://pixabay.com/de/schl%C3%A4ger-angriff-aggression-mobbing-655660/ ]