Mein persönlicher Jahresrückblick auf 2018
Das Jahr 2018 war für mich ein ebenso aufregendes wie anstrengendes Kalenderjahr mit vielen Veränderungen und auch Rückschlägen. Ich möchte ein paar Blicke zurück auf die vergangenen zwölf Monate werfen und gerne mit Euch teilen.
Januar bis März:
> Mia, Studium und eine einschneidende Trennung
Eine große private Änderung Anfang des Jahres betraf mich eher indirekt: Meine Kätzin Mia, inzwischen 16 Jahre alt, hatten den Tod ihres Bruders sehr schwer genommen. In den ersten Monaten 2018 hatte sie jedoch ihre tiefe Traurigkeit hinter sich lassen können und wieder unbeschwerter durchs Leben tigern können. Großen Anteil hatte da sicherlich auch irgendwie die junge Tiffy, ein Katzenteenager, der im Jahr davor zu uns gekommen war und unser Leben mitunter durchaus gut durcheinanderwirbelte.
Nach einem sehr inspirierendem Dezember-Workshop in Marseille war das erste Quartal 2018 von intensivem Studium geprägt, das natürlich das ganze Jahr hindurch ein wichtiger Faktor "im Hintergrund" war, im den ersten Monaten aber durchaus stark von grundlegenden Themen geprägt war.
Im März 2018 kam es zum Bruch mit der Ibn Rushd-Goethe Moschee. Ich wurde als Gemeindekoordinator entlassen und verließ die Gemeinde. Der Verlust von wichtigen Bezugspersonen und auch Freund*innen sowie diverse grundlegenden Details der Trennung waren durchaus ein heftiger Schlag für mich und hallten über einige Monate in mir nach. Die nachfolgende Zeit war für mich wie auch für einige andere Leute um mich herum nicht einfach.
April bis Juni:
> Besinnung, Schmerz und neue Verbindungen
Das zweite Quartal war für mich stark von der Verarbeitung des Bruches im März geprägt. Da war viel Schmerz und Verletzung, in gewissem Sinne auch eine Art Entwurzelung in mir. Ich bemühte mich, auf mein grundlegendes Verhältnis mit Allah zu besinnen und fand mich bestätigt in meiner persönlichen Beziehung zu Gott, wofür ich sehr dankbar war und bin.
In dieser Zeit begann ich aber auch, "über den Tellerrand hinaus" neue Kontakte zu knüpfen. Ich nahm Kontakt zu verschiedenen Imamen in Berlin auf, führte spannende und zugewandte Gespräche, tauschte mich mit vielen Leuten auf eine sehr angenehme Weise aus. So schmerzhaft die Trennung mit der Moschee war, so eröffnete sie mir doch neue Möglichkeiten und Freiheiten.
Juli bis September:
> CSD-Gottesdienst, Imam-Status und Lehrtätigkeit
Im Juli nahm ich am interreligiösen Gottesdienst am Tag vor dem CSD / Pride Parade teil: Ich rezitierte aus dem Qur'an und trug gemeinsam mit christlichen und jüdischen Vertreter*innen die "Licht-Fürbitten" vor. Diese Veranstaltung war sicherlich einer der wichtigsten und berührendsten Ereignisse des Jahres für mich.
Im August fand - unter meiner Koordination - ein Workshopwochenende in Marseille statt. Während der Tage in Frankreich wurde der Gruppe und mir klar, dass ich de facto bereits die grundlegenden Aufgaben eines Imams übernommen hatte. Ich akzeptierte die "Fremdetikettierung" und nahm den Imam-Titel an. Dabei war mir die Außenwirkung dessen natürlich auch bewusst und ich beschäftige mich selbstverständlich beständig mit der Wahrnehmung durch die Menschen.
Im September begann ich, andere Muslim*innen durch Lehrtätigkeit in ihrer Entwicklung zu unterstützen - eine Aufgabe, die ich als wichtigen Teil meines Wirkens als Imam betrachte und der ich fortan kontinuierlich nachkommen würde.
Oktober bis Dezember:
> Rugby, Umbau, KALIMA und Bedrohung
Ich bin dankbar, dass ich im dritten Quartal des Jahres ein neues Berliner Rugbyteam finden durfte, das ich fortan als Coach mit unterstützen kann. Als Trainer für die zweite Mannschaft und als Support-Coach lernte ich dufte Leute kennen und finde ich natürlich auch einen gewissen sportlichen Ausgleich.
Seit November baue ich in meiner Wohnung um. So banal das klingt, für mich ist das eine wichtige Sache: Meine Wohnung ist ein wichtiger Anker für mich und meine Katzen, die Umbauaktivitäten bedeuten daher für mich und uns sehr viel. Immerhin: Zuhause studiere ich den Islam, zuhause trinke ich mit Freund*innen Tee und habe Spieleabende, zuhause kann ich mich von den Aufregungen des Tages erholen und Kraft tanken.
Die Gründung von KALIMA - einem Verein zur Unterstützung und Vertretung von diskriminierten Personen innerhalb der muslimsichen Community, speziell LGBTIQ*-Muslim*innen - am 10. Dezember 2018 war im Sicherheit einer wichtigen Momente des Jahres für mich. Zusammen mit einigen anderen Leuten gründeten wir etwas, was es bislang in Deutschland nicht gegeben hatte ... und das in der Zukunft viel bewegen soll.
Während ich mich in den folgenden Wochen vor allem um die organisatorischen Auswirkungen der KALIMA-Gründung und natürlich um Presseanfragen kümmerte, motivierte vermutlich die zusätzliche Aufmerksamkeit eine Person, mir eine Gewaltdrohung zu senden. Ich erwähne dies deshalb so explizit, weil es ist die erste Gewaltandrohung gegen meine Person bisher. Seit eineinhalb Jahren bin ich öffentlich mit meinem Schwul-und-Muslim-Sein, aber erst jetzt gab es die erste Drohung. Natürlich reagierte ich konsequent: Das LKA ist eingeschaltet, der Staatsschutz ermittelt und man* muss sich um meine Sicherheit keine Sorgen machen. Trotzdem prägte dieser bedauerliche Akt der Aggression meine letzten Tage in 2018.
Ausblick auf 2019
Ganz kurz will ich "ins neue Jahr" gucken und kann bereits einige Ankündigungen für 2019 machen.
Für KALIMA werde ich in der 2. Kalenderwoche des neuen Jahres einen Online-Islamkunde-Kurs wöchentlich via Skype anbieten, der vor allem religiöse Grundlagen vermitteln wird. - Ich werde eine Reihe von Positionspapieren veröffentlichen zu verschiedenen Themen und Aspekten der Religion. - In meiner Jahresplanung sind eine Menge Veranstaltungen und diverse Vorträge bereits jetzt enthalten. - Ich hoffe, in der ersten Hälfte des Jahres mein erstes Buch mit islamischer Thematik fertigstellen zu können. - Wenn ganz viel klappt, werde ich in 2019 beginnen können, online Gebete (und auch Freitagsgebete) anbieten zu können. - Und auch weiterhin werden Seelsorge und Beratung, speziell in Bezug auf Fragen zum Thema "LGBTIQ* im Islam" mit im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen.
An dieser Stelle bleibt mir nur noch eines für diese Jahr: Allen Menschen einen "guten Rutsch" in da Jahr 2019 zu wünschen und ich für ein turbulentes, aber insgesamt enorm erfolgreiches Jahr 2018 zu bedanken. Ohne Euch da draußen könnte ich all das, was ich mache, nicht tun. Meinen ehrlichen Dank hierfür und ich bitte um Gottes Segen für Euch.
Ω
[Bildnachweis: https://pixabay.com/de/jahreswechsel-2019-2018-neujahr-3543063/ ]
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