Freitag, 3. August 2018

Freitagsimpuls: Konvertiten und Kasten


Freitagsimpuls zum 3. August 2018

»Ändere lieber erst Mal deinen Namen, bevor du eine Sache infrage stellst bei dem du dich zurückhalten solltest, vorallem als neu Konvertierter.«
(aktueller Facebook-Kommentar)


Facebook ist perfekt geeignet als Plattform für orthodoxe Muslim*innen und Propagandist*innen. In diversen Gruppen des sozialen Netzwerks werden erzkonservative, stark salafistisch oder wahabistisch geprägte Ansichten gepostet, in manchen Gruppen in Form von copy-&-paste-Fatwa-Postings im Minutentakt. Dabei wird ein klares Kasten-System vertreten, in dem Konvertit*innen üblicherweise die niedrigste Stufe der Muslim*innen bilden.

Die Kasten im orthodoxen Social-Media-Islam


Geht es nach den Multiplikator-Profilen in der muslimischen Facebook-Gruppen-Landschaft, so bilden ganz selbstverständlich Propheten, Kalifen, Nachfolger-Imame und andere (mehr oder weniger politischen) Über-Repräsentanten die oberste Kaste - eine quasi tote Kaste, denn üblicherweise sind diese Leute bereits gestorben.

Die nächste Kaste ist die der Ulamā, der islamischen Gelehrten. Auch diese: oftmals bereits gestorben. Egal, wann ein Gelehrter gelebt hat, ob seine Ansichten anerkannt oder umstritten waren, ob er offensichtlichen Blödsinn oder weise Worte von sich gegeben hat, ein Gelehrter wird im "Social-Media-Islam" immer als wichtiger dargestellt als ein*e "normale" Muslim*in. Diese sollten keine Meinung haben, denn die Gelehrten seien zuständig, nur die Ulamā seien befähigt, sich eine Meinung zur göttlichen Rechtleitung bilden zu dürfen. Den Gläubigen wird damit die Rolle von Meinungslosen zugewiesen, wobei die Facebook-Islam-Multiplikatoren entscheiden, welche Meinung welches gelehrten gerade zur aktuellen Propaganda passt.

Kaste Nr. 3 sind Imame, Scheikhs, Hodschas, Funktionäre und Prediger, die entweder von Multiplikator-Profilen oder auch voneinander Promotion erhalten.

Die vierte Kaste sind die "ordentlichen", üblicherweise "geborenen" Muslim*innen, deren Rang im Social-Media-Ranking aus Abstammungsgründen (und damit aus rassistischen Gründen!) immer über der Kaste Fünf steht: Den Konvertiten. Ihnen wird quasi "verordnet", ahnungslos und damit rechtlos zu sein. Sie sollten still und ruhig sein, keine Meinung vertreten und erfürchtig den oberen Kasten lauschen. Ihnen wird - egal wie lange sie in der Religion sind oder wieviel Wissen bzw. Erfahrung sie gesammelt haben - üblicherweise keinerlei Kompetenz zugestanden. Wenn man* als Muslim*in nicht geboren wurde, dann kriegt man* früher oder später autmatisch einmal die "Konvertiten-Keule" ab.

Die unterste Kaste im Weltbild der islamischen Social-Media-Multiplikator-Profile sind natürlich die Kuffar, die Ungläubigen, die Westler, die Feinde, whatever.

Die Social-Media-Kasten als faschistoides System


Aus meiner Sicht ist diese Form der Einteilung der Menschen faschistoid und daher aus islamischer Sicht völlig abzulehnen. Es widerspricht der göttlichen Botschaft aus dem Qur'an, dass die Rechtleitung Gottes für alle Menschen gedacht ist. Und es widerspricht auch der Aufforderung, nicht blind Vordenkern zu folgen, sondern sich eine eigene Meinung zu bilden. Eine unkritische bis kritiklose Nutzung bzw. Missbrauch von Überlieferungen und Meinungen von islamischen Persönlichkeiten ist unethisch und dient überlicherweise nur politischen oder egostischen Gründen (letztere speisen quasi "den Sheytan"). Zumeist völlig unbekannte (oft auch völlig informationsarme) Internet-Profile versuchen, uns Gläubigen eine Auslegungs- und Meinungsdoktrin anzutragen. Damit wird ein copy&-paste-Islam perpetuiert, der nichts mit der tatsächlichen Religion der Hingabe und Liebe und Barmherzigkeit zu tun hat, sondern eher mit der Kontrolle von Meinungen, mit Regeln, mit Dogma.

Speziell der Umgang mit Konvertiten (schrecklicher Begriff!!!) muss in Deutschland dringend anders werden. Die Einteilung der Ummah in Muslime erster und zweiter Klasse ist unislamisch, entspricht nicht der Botschaft Gottes und schon gar nicht unseren heutigen Vorstellungen von Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit (alles drei übrigens auch mögliche hermeneutische Schlüsselbegriffe, die zur Auslegung des Qur'an herangezogen werden können).

Wehren wir uns als gegen das "islamische" Kasten-System im Internet. Wenn nicht mit Worten, dann vielleicht doch indem wir die jeweiligen Facebookgruppen verlassen. Oder zumindest in unseren Herzen.



[Bildnachweis: Ausschnitt aus https://pixabay.com/de/sternenhimmel-kirche-kapelle-kreuz-1246272/ ]

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