Freitag, 6. Juli 2018

Freitagsimpuls: Was ist Islam ?


Freitagsimpuls zum 6. Juli 2018


Ich arbeite zur Zeit an einem Text zum Thema "Reform im Islam" und im Zuge der Vorbereitung habe ich bei Facebook in verschiedenen Gruppen die Frage "in den Raum gestellt" :
Was versteht Ihr unter "Reform im Islam",
welche Aspekte bewegen Euch dabei,
welche Gedanken habt Ihr dazu?

In den Rückmeldungen zu dieser Fragestellung kam der Wunsch auf, ob man* sich nicht einmal bzw. zuvor mit der Definition von Islam und den verschiedenen Islamverständnissen beschäftigen möchte.
Das bewog mich, diese Thematik in den Mittelpunkt dieses ersten Freitagsimpulses zu stellen.

Was ist eigentlich "Islam"?


Gibt man* "Islam" als Suchbegriff bei Google ein, erhält man* (ungefähr) 470 Millionen Ergebnisse. Der Link zum Wikipedia-Artikel steht dabei ganz oben, dort ist "Islam" die Bezeichnung für ...
[...] eine monotheistische Religion, die im frühen 7. Jahrhundert n. Chr. in Arabien durch Mohammed gestiftet wurde. [...] Der Islam wird allgemein auch als abrahamitische, als prophetische Offenbarungsreligion und als Buch- oder Schriftreligion bezeichnet.

Nach dieser Kurzdefinition wird erwähnt, das arabische Wort Islām (islām / إسلام) sei ein Verbalsubstantiv zu dem arabischen Verb aslama („sich ergeben, sich hingeben“). Es bedeute wörtlich das „Sich-Ergeben“ (in den Willen Gottes), „Sich-Unterwerfen“ (unter Gott), „Sich-Hingeben“ (an Gott), oft einfach mit Ergebung, Hingabe und Unterwerfung wiedergegeben.
Aber ist das so? Verwenden wir (weltweit wie persönlich einzeln) den Begriff "Islam" immer nur als Bezeichnung der islamischen Religion? Oder gibt es andere Verwendungsweisen, andere Ansichten, andere Begrifflichkeiten?

"Islam" als diffuser Begriff


Meine Erfahrung bisher zeigt, dass "Islam" gern von Menschen und gerade in den Medien als diffuser Begriff verwendet wird, der alle möglichen Dinge bezeichnen und einschließen kann. Spitzenreiter ist dabei natürlich "der Islam" als verallgemeinernder Sammelbegriff für Religionsbezeichnung und für alle Muslim*innen jeglicher Strömung sowie für alle überwiegend islamischen und/oder muslimischen Länder und Regierungen und Organisationen. Gleich danach auf meiner Liste steht der "politische Islam", der sowohl äußerlich diffus ist (denn er steht meistens für alle überwiegend islamischen und/oder muslimischen Länder und Regierungen und Organisationen steht wie auch für alle Muslim*innen jeglicher Strömung, die jenen angehören und/oder unterstützen und/oder sie aktiv oder stillschweigend passiv dulden) wie auch innerlich wie auch innerlich (als Abgrenzungsbegriff für den stets unerwähnten "nichtpolitischen Islam", dessen Definition aufgrund der Nichterörterung quasi hyperdiffus hinten über fällt). Auch unter spezifierenden Etiketten entstandene Begriffe wie "liberaler Islam", "konservativer Islam", "feministischer Islam", "radikaler Islam", "schiitischer Islam", "sunnitischer Islam" u.v.m. finden Anwendungen; ihnen ist gemeinsam, dass sie "den Islam" in verschiedene Gruppierungen einzuteilen suchen, die voneinander durch (ebenfalls diffuses) theologische und politische Schlüsselinhalte unterschieden bzw. definiert werden sollen. Speziell das Verständnis der zuletzt genannten "Etiketten-Begriffe" innerhalb der "islamischen Welt / Community / Gemeinschaft / Ummah" ist allerdings sehr stark variabel und verschiedene Muslim*innen (und auch Nicht-Muslim*innen) verstehen sehr verschiedene Dinge unter diesen Begriffen.
Alles in allem sind alle diese "Islam-Begriffe" enorm diffus, stark unterschiedlich in der persönlichen Wahrnehmung und damit so gar nicht geeignet zur ordentlichen Verwendung beispielsweise in den Medien geschweige denn im wissenschaftlichen (auch im islamwissenschaftlichen) Kontext. Diese Begriffe nutzen uns also nicht wirklich, sie erzeugen nur einen diffusen Nebel, den niemand durchblicken kann. Begegnungen innerhalb dieses Nebels müssen also zwangsläufig oft in Kollisionen enden, wenn sich die Begegnungspartner einander überhaupt treffen und nicht aneinander vorbei durch den Nebel steuern.

"Islam" als persönlicher Begriff


Ich höre immer wieder, dass Muslim*innen von "meinem Islam" sprechen. Viele verstehen "Islam" nicht nur als neutralen Begriff, der die Religion bezeichnet, der sie angehören (quasi als instrumentelle Bezeichnung), sondern Ausdruck ihrer eigenen muslimischen Religionsausübung sowie als Summe ihrer spirituellen Inhalte und Entwicklungen (als expressiven Begriff).
Wenn ich diese Begriffsauffassung mit dem qur'anischen Begriff des Dīn verbinde (und das muss ich m.E., wenn ich die Botschaft Allahs theologisch korrekt betrachten möchte), dann bietet sich eine spannende Schlussfolgerung an.
Zunächst kurz zum Begriff Dīn :
Dīn (arabisch دين) ist ein Kernbegriff des Islam, der im Koran an zahlreichen Stellen erscheint und mit der Grundbedeutung von „Religion“, „Glaube“ wiedergegeben werden kann. [Wikipedia-Artikel]

Hier zeigt sich, dass die Wikipedia nicht alles abbilden kann, steht doch der Begriff des Dīn für mehr als nur Religion und dessen Ausübung, sondern auch für die Summe aller moralischen und ethischen menschlichen Grundsätze.
Dessen also eingedenk könnte man* den personellen Islam, als persönlicher und expressiver Begriff, (und hier kommt die sich anbietende Schlussfolgerung) als einen Teil des Dīn ansehen, vielleicht sogar nur als Aspekt der persönlichen Religionsausübung und nicht als Religionsbezeichnung.
Spinnen wir das Ganze noch weiter: Wenn "Islam" eine Bezeichnung für "die muslimische Religion" ist und "Islam" auch als Begriff für die persönliche, spirtuell beprägte Ausübung der muslimsichen Religion steht, könnten wir dann nicht die Summe aller moralischen und ethischen menschlichen Grundsätze auch als "Islam" bezeichnen. Und somit Dīn als Klammerbegriff für die verschiedenen "Islame" verstehen?
Unter diesen Gedanken betrachtet verlieren die Nebel-Islam-Begriffe umso mehr ihre Sinnhaftigkeit, weil sie allesamt nur diffuse Andeutungen tatsächlicher Ausprägungen und Details des Dīn sind bzw. wären. Und so gesehen könnte eine Reduktion ihrer Nutzung und eine stärker Erforschung der Aspekte des Dīn vorteilhaft sein.



[Bildnachweis: Ausschnitt aus https://pixabay.com/de/sternenhimmel-kirche-kapelle-kreuz-1246272/ ]

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